Verändern heißt bewirken, dass etwas anders wird

Jahreswechsel

Zum ausklingenden Jahr mehren sich Gedanken an das "neue Jahr" und an die daran geknüpften Hoffnungen und Wünsche.

Viele Menschen wünschen sich, dass sich etwas verändert in ihrem Leben. Oftmals beziehen sich diese Wünsche darauf, sich beruflich zu verändern, eine Partnerschaft einzugehen (oder eine aufzugeben), eine Familie zu gründen oder den Wohnort zu wechseln. Manchmal sind da auch Wünsche an eine Veränderung des eigenen Äußeren, die berühmten guten Vorsätze im neuen Jahr mehr Sport zu treiben und gesünder zu essen.

All diesen Wünschen gemein ist, dass sie in erster Linie uns selbst herausfordern, aktiv etwas zu tun, um eine Veränderung herbeizuführen. Noch näher liegt das, wenn es darum geht "sich selbst zu ändern", also bestimmte Verhaltensweisen, Denkmuster und emotionale Reaktionen zu verändern. 

Viele Menschen kommen in eine Beratung, ein Coaching oder eine Therapie, um "sich zu ändern". Manchmal sind es eng umschriebene einzelne Muster, die verändert werden sollen: Nichtraucher werden, selbstsicher vor Gruppen sprechen lernen, dem Partner vertrauen lernen. Manchmal greifen die Muster weiter und sind tiefer verwurzelt. Das zum Beispiel, wenn jemand sich über viele unterschiedliche Situationen hinweg und im Kontakt mit ganz verschiedenen Personen immer wieder in gleicher oder ähnlicher Weise schlecht fühlt, sich zurückzieht, gereizt reagiert oder aufbrausend wird. 


Veränderung

Alle Konstellationen haben jedoch eins gemeinsam: wir müssen zunächst herausfinden, welche genau die problematischen Verhaltensweisen sind und welchen Ursprung sie haben, und dann müssen wir Schritt für Schritt lernen, uns aktiv anders zu verhalten. Und, das ist eine weitere Gemeinsamkeit, es ist in jedem Falle zunächst mühsam.

Es ist anstrengend, sich zu verändern. Das ist eine Wahrheit, die ich keinem Ratsuchenden verschweigen möchte. Gerne benutze ich den Vergleich damit, eine neue Sprache zu lernen. Wenn wir damit beginnen, eine Fremdsprache zu lernen, dann ist zunächst die Suche nach jedem Wort, jeder Vokabel, jeder Regel eine Anstrengung, die unsere ganz bewusste Absicht und einen gewissen Energieaufwand erfordert. Die Worte und Sätze kommen uns keineswegs automatisch in den Sinn und über die Lippen. Unser Denken und unsere spontanen Äußerungen, über die wir nicht weiter nachdenken, erfolgen in unserer Muttersprache. Etwas in der neuen Sprache zu sagen, erfordert unsere ganze Bewusstheit, Aufmerksamkeit, Achtsamkeit, Konzentration und damit viel geistige Kapazität.

Je länger wir uns in der Anwendung der neuen Sprache üben und uns mit Menschen umgeben, die auch diese Sprache sprechen, umso mehr automatisiert ihre Anwendung. Menschen, die mehrere Jahre im Ausland leben, berichten zum Beispiel, dass sie beginnen, in der Sprache des Migrationslandes zu denken und zu träumen. Und dass ihnen manchmal bei Gesprächen mit Menschen aus ihrem Heimatland nicht selten Worte aus ihrer Muttersprache nicht einfallen. 

Genauso ist es mit dem Verändern von Verhaltens- und Denkmustern, gleichbedeutend mit dem Erlernen neuer Arten und Weisen sich zu verhalten und zu denken. Spontan und automatisch werden wir noch sehr häufig und über längere Zeit in die "Muttersprache" zurückfallen.


Nehmen wir als Beispiel eine Person mit einem Muster aus sehr schüchternen, selbstkritischen, unsicheren und vermeidenden Verhaltensweisen. Die automatische Reaktion auf eine Einladung zu einer Party ist in solchen Fällen häufig, zu sagen "Es tut mir leid, ich kann nicht, habe schon etwas anderes vor" und sich zu Hause zu verkriechen, aus der Angst heraus, auf der Feier langweilig und uninteressant auf andere Menschen zu wirken und abgelehnt zu werden. Die automatische Reaktion auf eine ungerechte Behandlung im Job wird sein, den Ärger herunterzuschlucken und nicht für sein Recht einzutreten.

Das Muster zu verändern, sich ganz konkret anders zu verhalten als die automatischen Impulse es gebieten, erfordert eine bewusste Entscheidung und Planung des neuen Verhaltens. Und einen Haufen Überwindung. Je weiterreichend die Muster sind, die uns das Leben erschweren, umso mehr Überwindung und umso anstrengender der Veränderungsprozess.


Glück

Das mag auf den einen oder anderen abschreckend wirken, doch zeigt die Erfahrung, dass es sehr wichtig und hilfreich ist, sich klarzumachen, dass Veränderung nicht "einfach so" von statten geht, durch Glück oder durch äußere Einwirkung, und dass sie in ganz wesentlichen Teilen in unseren eigenen Händen liegt (wobei ein bisschen Schwein haben ganz und gar nicht schadet und die guten alten Silvesterbräuche und Glückwünsche sicher nicht ausgedient haben!).Es ist sozusagen ein Projekt, dem es gilt, Zeit und Energie zu widmen. Veränderung geht nicht nebenbei. Dies wird deutlich, wenn wir uns einen Moment Zeit nehmen und vergegenwärtigen, in welchen Alltagssituationen das Muster, das wir ändern möchten, überall eine Rolle spielt. Stellen Sie sich vor, all diese Situationen sind sozusagen "Versuchungen" in die Muttersprache zu verfallen. 

Genauso wie es aber ein tolles Gefühl und eine große Bereicherung ist, eine neue Sprache erlernt zu haben und sich in verständigen zu können, so ist die Belohnung für die Veränderung von bisher problematischen Mustern ein immenser Gewinn. Zum Teil wird am Ende eines solchen Prozesses etwas möglich, das manchmal über viele Jahre unvorstellbar (doch zugleich ein großer Wunsch) gewesen ist: wieder in das Arbeitsleben einzutreten oder endlich eine Stelle den eigenen Qualifikationen entsprechend anzutreten, eine Partnerschaft einzugehen oder sich aus schädlichen Beziehungen zu lösen, konstruktiv Konflikte zu lösen statt permanent in eskalierende Streitigkeiten zu geraten, einen Freundeskreis zu haben statt die Freizeit alleine zu verbringen, Nichtraucher zu sein oder gesundheitsrelevantes Übergewicht zu verlieren. 


 

Manchmal braucht dieser Weg lange Zeit und in jedem Falle einen unterstützenden Menschen an der Seite. Hier kann ein Therapeut oder Coach eine große Hilfe sein - im Sinne eines Sprachlehrers oder, wie es in einer anderen Metapher heißt, die ich gerne benutze, eines Bergführers. Insbesondere, wenn die problematischen Muster, die immer wieder zu negativen Erfahrungen oder Gefühlen führen, schon lange bestehen und ihre Wurzeln womöglich sehr früh in unserem Leben haben, ist die therapeutische Unterstützung oft unabdingbar. Gerade weil es so eine große und herausfordernde Aufgabe ist, uns zu verändern.

Wenn wir aber damit anfangen, werden nach anfänglicher Erschöpfung schon bald die ersten Veränderungsschritte dazu führen, dass wir merken, dass es sich lohnt. Wie erst kürzlich einer meiner Klienten sagte "Es fühlt sich wunderbar an, etwas getan zu haben, wozu ich mich erst so überwinden musste, was nachher aber zu so viel besseren Ergebnissen führt als die automatische Reaktion, die mir früher so leicht fiel!"

 

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen eine schöne und lebendige Adventszeit, geruhsame Feiertage und einen gesunden und achtsamen Start ins neue Jahr!

 

Für diejenigen, die Weihnachten und dem Jahreswechsel mit gemischten Gefühlen entgegen sehen, mögen folgende Artikel aus den vergangenen Jahren vielleicht noch die eine oder andere Anregung bieten: Pommes unterm Baum, Oh Du schwierige..., Morgen höre ich auf zu rauchen! und Das Glück ist ein Parfüm.

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Karsten (Montag, 07 November 2016 21:25)

    Ich habe viel in meinem Leben ändern müssen.
    Heute sage ich mir immer, mache es einfach und rede nicht zu viel. Nur Handlungen bringen auch Veränderungen, die das Leben dann auch zufriedener machen.
    Da muss man nicht auf das neue Jahr warten, sondern kann sofort beginnen.

  • #2

    Julia Arnhold (Dienstag, 15 November 2016 09:28)

    Lieber Karsten,

    vielen Dank für Ihren Kommentar und das Teilen Ihrer Erfahrungen! Ich stimme Ihnen voll und ganz zu - etwas zu ändern braucht kein neues Jahr bzw. kann das "neue Jahr" im Sinne der Zukunft, in der etwas anders werden soll, prinzipiell jeden Tag beginnen.

    Ihnen alles erdenklich Gute und beste Grüße,

    Julia Arnhold