Definition und Beschreibung der Symptomatik 

 

Beschrieben sind hier Störungen sexueller Funktionen, die nicht durch eine organische Schädigung oder Erkrankung verursacht werden. 

 

Zwar können sexuelle Funktionsstörungen vielgestaltig sein, gemeinsam ist ihnen jedoch, dass sie die von den Betroffenen gewünschte Gestaltung einer sexuellen Beziehung verhindern oder deutlich beeinträchtigen. 

 

Das von den meisten Menschen als befriedigend empfundene sexuelle Erleben beinhaltet verschiedene sogenannte Phasen: die Phase der Appetenz oder - geläufiger - des Verlangens, der Erregung, des Plateaus (Steigerung der Erregung), des Orgasmus und der anschließend einsetzenden Entspannung. Die Definition der sexuellen Funktionsstörungen bezieht sich auf diese Phasen dieses sogenannten "sexuellen Reaktionszyklus" (nach Masters & Johnson). 

 

So kann zum Beispiel ein Mangel an sexuellem Verlangen oder sexueller Befriedigung als störend erlebt werden, oder aber der Ausfall von für den Geschlechtsakt notwendigen körperlichen Reaktionen, zum Beispiel das Ausbleiben einer Erektion beim Mann. Auch Schwierigkeiten dabei, den Orgasmus in gewissem Maße zu steuern oder überhaupt zu erleben, können Ausdruck einer sexuellen Funktionsstörung sein. 

 

Im Folgenden sind die spezifischen Formen benannt und kurz erläutert. 

 

Aus medizinischer Sicht wird von einem Mangel oder Verlust an sexuellem Verlangen  gesprochen, wenn sexuelle Erregung und Befriedigung zwar möglich sind, sexuelle Aktivitäten mangels sexuellem Verlangen aber selten selbst herbeigeführt werden. Dies ist  - wie es auf alle sexuellen Funktionsstörungen zutrifft - selbstverständlich nur dann als problematisch zu bewerten, wenn der oder die Betroffene unter diesem Umstand leidet.

 

Bei der sogenannten sexuellen Aversion sind Vorstellung von einer sexuellen Beziehung oder bezüglich sexueller Aktivitäten stark mit negativen Gefühlen verbunden und rufen massive Angst hervor, sodass sexuelle Kontakte vermieden werden. 

 

Menschen, die an mangelnder sexueller Befriedigung leiden, erleben zwar Verlangen, sexuelle Erregung und einen Orgasmus, dieser ist jedoch nicht mit Gefühlen von Lust verbunden. 

 

Das Versagen genitaler Reaktionen bezieht sich bei Männern auf Erektionsstörungen im Sinne des nicht erreichen oder aufrechterhalten Könnens einer Erektion. Insbesondere wenn es dem Betreffenden im Schlaf, nicht aber im Wachzustand möglich ist, eine Erektion zu bekommen oder die Schwierigkeiten nur bei bestimmten PartnerInnen auftreten und bei anderen nicht, ist an eine psychische Verursachung der Problematik zu denken. 

Bei Frauen äußert sich das Versagen genitaler Reaktionen in einer deutlich reduzierten oder ganz ausbleibenden vaginalen Lubrikation. Können Infektionen und ein Mangel an Östrogenen (wie zum Beispiel in der Postmenopause) ausgeschlossen werden, sollte eine psychische Verursachung abgeklärt werden. 

 

Von einer Orgasmusstörung wird gesprochen, wenn der Orgasmus nicht oder stark verzögert eintritt. 

 

Der Begriff Ejaculatio praecox (dt.: vorzeitiger Samenerguss) bezeichnet eine Schwierigkeit männlicher Betroffener, die Ejakulation zu kontrollieren, sodass der sexuelle Kontakt für beide Partner unbefriedigend verläuft. In welchem Ausmaß die Kontrollfähigkeit herabgesetzt ist, ist sehr unterschiedlich und definiert sich darüber, ob zum Zeitpunkt der Ejakulation zum Beispiel bereits eine Erektion bestanden oder eine Penetration stattgefunden hat. 

 

Beim sogenannten psychogenen oder nichtorganischen Vaginismus bedingt eine Verkrampfung der die Vagina umgebenden Beckenbodenmuskulatur, dass der Scheideneingang sich verschließt und die Penetration unmöglich wird oder nur unter Schmerzen ertragen werden kann. 

 

Die nichtorganische Dispareunie bezeichnet allgemein das Empfinden von Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. 

 

 

Entstehungshintergründe

 

Die Ursachen von sexuellen Funktionsstörungen sind sehr vielfältig und individuell zu betrachten. Für jedes spezifische Beschwerdebild existieren spezielle Ansätze zur Erklärung ihrer Entstehung, die hier jedoch nicht im Einzelnen aufgeführt werden können. 

 

Ganz allgemein kann aber angenommen werden, dass ein Zusammenspiel ungünstiger Erfahrungen und Belastungen in unterschiedlichen Bereichen - zum Beispiel beruflicher Stress oder belastende sexuelle Kontakte und Erlebnisse, Partnerschaftskonflikte oder körperliche Krankheit - dazu führen, dass gewisse Ängste und ungünstige Erwartungen im Zusammenhang mit sexuellen Handlungen entstehen, die dann "normale" Reaktionsabläufe stören können. Kann diese Störung nicht unmittelbar bewältigt werden, kann sich Angst oder negative Erwartung festsetzen, sodass ein ungezwungenes und entspanntes Erleben von Sexualität schwierig wird. Dies ist unter anderem deshalb so, weil die körperlichen Begleiterscheinungen von Angst (selbst wenn diese uns gar nicht bewusst ist!) nicht vereinbar mit dem ungestörten Ablauf der körperlich notwendigen Prozesse im Rahmen sexueller Handlungen sind. Es kann sich eine Art Teufelskreis entwickeln, da bei wiederholtem Erleben von Scham, Schmerz oder vermeintlichem Versagen während sexueller Handlungen die diesbezügliche Angst immer größer wird - und damit möglicherweise auch die Störung sexueller Funktionen. Ursprüngliche Auslöser sind für die Symptomatik dann nicht mehr wirklich von Bedeutung, das Problem verselbständigt sich sozusagen. Dies ist ebenso der Fall, wenn aufgrund der Angst sexuelle Handlungen vermieden werden, da auf diese Weise nicht mehr möglich ist, Erfahrungen zu machen, die die Angst wieder reduzieren könnten.

 

Äußerst wichtig im Zusammenhang mit sexuellen Funktionsstörung ist immer die organmedizinische Abklärung der Beschwerden, bevor allein an psychischen Ursachen gearbeitet wird. 

 

 

Therapiemöglichkeiten

 

Im Rahmen einer spezifischen Kognitiven Verhaltenstherapie können sexuelle Funktionsstörungen erfolgreich behandelt werden.

 

Für die einzelnen beschriebenen Störungsbilder wurden sehr konkrete Behandlungsstrategien entwickelt, die an dieser Stelle nicht im Einzelnen erörtert werden können. 

Allgemeine Grundelemente der Psychotherapie der sexuellen Funktionsstörungen sind jedoch die eingehende Erarbeitung und Vermittlung von Informationen über die Symptomatik, ihre mutmaßliche Entwicklung und die Mechanismen ihrer Aufrechterhaltung. Durch die Aufklärung werden Betroffene in die Lage versetzt, ihre Einflussmöglichkeiten auf die Probleme zu erkennen und wahrzunehmen. Sexuelle Funktionsstörungen sind sehr weit verbreitet und keinesfalls auf persönliches Versagen zurückzuführen! Unter vorzeitigem Samenerguss zum Beispiel leidet etwa jeder zehnte Mann in Deutschland.

 

Um Betroffene in der Überwindung der Schwierigkeiten zu unterstützen, werden darüber hinaus spezifisch auf das individuelle Problem zugeschnittene Verhaltensübungen vermittelt, die Betroffene alleine und/oder mit ihrem Partner Schritt für Schritt umsetzen können, um bestehende Ängste oder andere Hemmnisse zu überwinden. Begleitend werden möglicherweise bestehende Schwierigkeiten im Zugang zu eigenen sexuellen Bedürfnissen und deren Kommunikation gegenüber Partnern abgebaut. 

Sollte die sexuelle Funktionsstörung vor dem Hintergrund eines sexuellen Traumas bestehen, ist zunächst eine spezifische Traumatherapie indiziert. 

 

Die Unterstützung der Behandlung mit bestimmten Medikamenten ist im Einzelfall sorgfältig abzuwägen, jedoch keine unabdingbare Notwendigkeit in der Therapie der sexuellen Funktionsstörungen. 

 

 

Literaturangaben zu den Informationen / Buchempfehlungen zum Thema  

 

Fahrner, E.-M. & Kockott, G. (2003). Sexualtherapie. Ein Manual zur Behandlung sexueller Funktionsstörungen bei MännernHogrefe. 

 

Velten, J. (2017). Sexuelle Funktionsstörungen bei Frauen. Hogrefe. 

 

Velten, J. & Kockott, G. (2018). Sexuelle Funktionsstörungen und Geschlechtsdysphorie. In: Margraf, J. & Schneider, S. (Hrsg.). Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Band 2. Springer. 

 

 

 

Informationen und Netzwerke online

 

Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung DGfS