Der lange Kampf gegen die Symptome

Viele Menschen, die an Angst, Depressionen, Zwängen oder beunruhigenden Annahmen und Vorstellungen leiden, oder immer wieder belastende Erfahrungen in zwischenmenschlichen Beziehungen machen, haben bereits sehr viele Versuche unternommen, ihre Schwierigkeiten loszuwerden oder einzudämmen. 


Oftmals ergibt sich jedoch immer wieder die leidvolle Erfahrung, dass die Beschwerden eben nicht dauerhaft verschwinden, sondern genauso stark oder gar stärker bestehen bleiben. Manchmal wird eine kurze Phase der Erleichterung erzielt, die jedoch früher oder später wieder von Belastung und Einschränkung abgelöst wird. 

 

Eine dramatische Einschränkung der Lebensqualität ergibt sich daraus, dass die Beschäftigung mit dem "Loswerden" eines Problems und mit den Versuchen, sich ihm nicht mehr widmen zu müssen, so viel Zeit und Energie einnimmt, dass die betroffene Person gar nicht mehr dazu kommt, sich dem zu widmen, was ihr im Leben eigentlich wichtig und teuer ist, also ihre ganz persönlichen und individuellen Ziele zu verfolgen. 

 

Die Versuche, beängstigende oder unangenehme Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen loszuwerden, werden häufig mit ungeheurem Aufwand und schier unermüdlicher Intensität betrieben. Betroffene unternehmen enorme Anstrengungen, um die unangenehmen Erlebnisweisen abzuschalten. Nicht selten glauben sie, dass sie sich nur noch mehr anstrengen müssen, um die Belastung endlich vollständig loszuwerden, dass sie bisher noch nicht "genug geleistet" haben. Sie verstärken ihr Bemühen dann, indem sie "mehr vom Selben" tun, auch wenn dieses Selbe möglicherweise immer ein Schritt weiter in die falsche Richtung führt - wobei falsch hier meint, dass es die Person von der Erreichung der für sie wichtigen und wertvollen Lebensziele entfernt. Bildlich kann man sich diesen falschen Weg etwa so vorstellen, als versuche man, mit einem Hammer eine Schraube festzuziehen - man benutzt schlichtweg das ungeeignete Werkzeug für den Zweck, den man verfolgt. 

 

Eine andere hilfreiche Metapher ist die vom Treibsand: wenn man in Treibsand gerät und beginnt wild mit Armen und Beinen zu rudern, zieht es einen immer tiefer in den Sand hinein. Je größer die Anstrengung, ihm zu entkommen, umso unerbittlicher zieht der Treibsand uns in sich hinein. Breiten wir uns aber ganz weit aus, legen uns flach hin, strecken Arme und Beine weit von uns, vergrößern wir sozusagen die Angriffsfläche maximal, hat der Treibsand keine Chance uns zu schlucken, wir gehen nicht unter! 

 


Denken Sie jetzt auf keinen Fall an eine weiße Vase!

Um Menschen darin zu unterstützen, nicht vom Treibsand verschluckt zu werden, sondern sich ihren eigentlichen Zielen, Werten und Bedürfnissen wieder widmen zu können, formuliert die Akzeptanz- und Commitmenttherapie einen Ansatz, der klassischen therapeutischen Ansatz zunächst entgegengesetzt zu sein scheint: sie ermutigt Betroffene dazu, bisherige Anstrengungen aufzugeben, ja überhaupt keine Anstrengungen mehr zu unternehmen, die unangenehmen Gedanken und Gefühle loszuwerden. 

 

Die Akzeptanz- und Commitmenttherapie unterstützt vielmehr darin, eine Bereitschaft und Offenheit zu entwickeln, das Unangenehme, Leidvolle, Schwere oder Beängstigende genauso zu voll zu erleben, wie das Leichte, Angenehme, Erfreuliche im Leben. 


Diese Bereitschaft und Offenheit wird auch Akzeptanz genannt und taucht im Namen dieses Therapieansatzes auf. Akzeptanz meint nicht, sich duldsam in sein Schicksal zu ergeben und resignierend den Kopf in den Sand zu stecken.

Akzeptanz meint, die erlebte Angst oder Bedrängnis im eigenen Leben anzunehmen, ihnen ihre Existenz und ihr Dasein zuzugestehen, ihnen Raum zu geben und zugleich den eigenen Werten und Zielen folgend reich und lebendig das eigene Leben zu gestalten. 


Ein entscheidender Aspekt der Akzeptanz- und Commitmenttherapie ist das Aufgeben von Kontrolle, da diese in aller Regel umso paradoxere Effekte hat, je stärker wir sie praktizieren. Ein simples Beispiel erleichtert manchen Menschen eine erste Annäherung an dieses Paradoxon. Versuchen Sie es einmal: Ich möchte Sie bitten, in diesem Moment auf keinen Fall an eine weiße Vase denken. 

 

 

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Möglicherweise versuchen Sie noch immer das Wort "Vase" oder die Vorstellung einer weißen Vase, sei sie schmal oder bauchig, hoch oder flach, wieder loszuwerden? 


Unser Gehirn ist aufgrund seiner Eigenschaften nicht in der Lage, sich Gedanken und Empfindungen mittels Kontrollversuchen zu entledigen. Sobald wir uns mit einem Gegenstand, einer Person, einem Gefühl oder einem Wort beschäftigen - auch wenn es zu dem Zweck geschieht, es uns aus dem Kopf zu schlagen - springt das neuronale Netzwerk, dass sich in unserem bisherigen Leben zu diesem Objekt herausgebildet hat, an.

Das Netzwerk kommt sogar mehr und mehr in Fahrt, je mehr wir versuchen, das Objekt aus unserem Bewusstsein zu vertreiben. Das Gehirn hat keinen Ausschaltknopf.

 

Das bedeutet nicht, dass Angst und Leid ewig bestehen. Aber sie bestehen häufig umso hartnäckiger, je stärker sie zu unterdrücken versucht werden. Hier entsteht eine Art Teufelskreis, denn die dauerhafte Beschäftigung mit dem Loswerden von etwas Negativem, entzieht uns die Kraft und Energie und Zeit, uns mit etwas Positivem zu beschäftigen und wichtige Ziele zu verfolgen, die in aller Regel dazu beitragen können, das Angst und Leid irgendwann tatsächlich schwächer werden, weil wir neue, hilfreiche Erfahrungen machen können, die leidvolle Erfahrungen aus der Vergangenheit korrigieren können.

 

Die Erarbeitung und Etablierung solcher neuen Handlungsmuster, die helfen, erfüllende Beziehungen zu führen, einen befriedigenden Beruf auszuüben oder was sonst den eigenen, ganz individuellen Werten entspricht, ist ein zentrales Ziel der Akzeptanz- und Commitmenttherapie.