Definition und Beschreibung der Symptomatik

 

Allgemeines Kennzeichen der am häufigsten vorkommenden Schlafstörungen ohne organische Ursache ist  die ungenügende Dauer oder Qualität des Schlafs über einen beträchtlichen Zeitraum hinweg im Sinne einer Insomnie. Hier darf allerdings nicht die Abweichung von der durchschnittlich üblichen Schlafdauer herangezogen werden, da zum Beispiel sogenannte "Kurzschläfer" nur sehr wenig Schlaf brauchen, um erholt und leistungsfähig zu sein. Andererseits kann ein objektiv ausreichend langer Schlaf vom Betroffenen als nicht erholsam erlebt werden. 

 

Die häufigsten Beschwerden von Menschen mit Schlafstörungen sind:

  • Einschlafstörungen 
  • Durchschlafstörungen 
  • Früherwachen 
  • eine Kombination der genannten Probleme
Häufig geht der Blick zur Uhr, wenn man nicht schlafen kann

Häufig entwickelt sich ein Teufelskreis: Beim wiederholten Erleben von Schlaflosigkeit entwickelt sich eine Angst davor, nicht einschlafen oder durchschlafen zu können. Nicht selten kommt es zu einer übermäßigen gedanklichen Beschäftigung mit den Konsequenzen der Schlafstörung. In der Folge fühlen sich Betroffene vor dem Zubettgehen angespannt, ängstlich, besorgt oder depressiv. Sie werden geplagt von Gedankenrasen, Grübelei über den unzureichenden Schlaf, aber auch über persönliche Probleme, Gesundheit und Krankheit oder Tod. Dieses innere Erleben behindert physische und mentale Entspannung und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit, nicht einschlafen zu können. 

Diese unangenehmen Erlebnisweisen führen nicht selten dazu, dass Betroffene versuchen, sich mit Alkohol, Medikamenten oder anderen Substanzen selbst über die Schlafstörung hinwegzuhelfen, was die Problematik langfristig jedoch verstärkt. 

(Bildquelle: aboutpixel.de / Kurz nach sieben © Kerstin Maier)

 

Um eine klinisch bedeutsame Schlafstörung zu diagnostizieren, muss gemäß internationaler Leitlinien ein subjektives Beklagen von Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen oder schlechter Schlafqualität vorliegen. Die Schlafstörung muss über mindestens einen Monat hinweg mindestens drei Mal pro Woche auftreten. Auch das übermäßige Beschäftigtsein mit der Schlafstörung und eine starke Sorge über ihre negativen Konsequenzen, ein subjektiver Leidensdruck oder eine störende Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten im Zuge der Schlafstörung müssen vorliegen. 

 

 

Eine andere Form der Schlafstörung ist die Hypersomnie

hier bestehen entweder exzessive Schläfrigkeit oder Schlafanfälle während des Tages, die nicht durch unzureichende Schlafdauer in der Nacht erklärbar sind, oder aber eine deutlich verlängerte Übergangszeit vom Aufwachen bis zum völligen Wachsein. Diese Form der Schlafstörung tritt häufig nicht isoliert, sondern in Verbindung mit einer Depression oder bipolaren Störung auf. 

 

Kennzeichen einer nicht organisch bedingten Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus ist ein Mangel an Synchronizität des individuellen Schlaf-Wach-Rhythmus (SWR) mit dem erwünschten SWR der sozialen Umgebung. Häufig tritt diese Form der Schlafstörung in Zusammenhang mit anderen Krankheitsbildern auf oder aber bei Schichtarbeiter und Vielreisenden mit Zeitzonenwechsel: hier ist die Störung vorrangig biologisch determiniert im Sinne einer zirkadianen Dysregulation. Eine emotionale Komponente kann aufgrund der starken Erschöpfung jedoch auch eine Rolle spielen. 

Die diagnostischen Leitlinien sehen vor, dass eine Abweichung des individuellen Schlafmusters von dem für eine bestimmte Gesellschaft normalen Muster besteht; der Betroffenefast täglich über mindestens einen Monat oder wiederkehrend für kürzere Zeiträume Schlaflosigkeit in der Hauptschlafperiode und Hypersomnie während der Wachperiode erlebt und dass die ungenügende Dauer, Qualität oder Zeitpunkt des Schlafes deutliche Erschöpfung verursachen oder Alltagsaktivitäten behindern.

 

Kennzeichen des Schlafwandelns (Somnambulismus) sind ein Zustand veränderter Bewusstseinslage, in dem Phänomene von Schlaf und Wachsein kombiniert sind. Betroffene verlassen "schlafend" das Bett, meist im ersten Drittel des Nachtschlafs, gehen umher, verlassen nicht selten das Schlafzimmer oder sogar das Haus. Das Bewusstseins ist getrübt, die Reaktivität und auch motorische Fertigkeiten sind eingeschränkt, weshalb ein hohes Verletzungsrisiko beim Umhergehen besteht. Morgens kann der Betroffene sich zumeist nicht an das Schlafwandeln erinnern

 

Beim Pavor nocturnus treten nächtliche Episoden äußerster Furcht und Panik auf, verbunden mit heftigem Schreien, panischen Bewegungen und starker vegetativer Erregung. Ursache für das angstvolle Erwachen sind keine vorangegangenen Albträume. Individuelle Hintergründe müssen im Rahmen einer Beratung oder Psychotherapie geklärt werden.

 

Kennzeichen von Albträumen ist ein ungewöhnlich lebhaftes Traumerleben mit starker Angst und sehr detaillierten Erinnerungen an die Inhalte. Themen beinhalten oft eine Bedrohung des Lebens, der Sicherheit oder der Selbstachtung, oft werden dieselben Themen in wiederkehrenden Albträumen wiederholt. Klinisch bedeutsam werden sie erst, wenn sie gehäuft auftreten und den Betroffenen emotional belasten oder in irgendeiner Weise einschränken. Auch hier sind die individuellen Hintergründe im Rahmen einer vertrauensvollen Beratung oder Therapie zu klären. 

 


Entstehungshintergründe

 

Von den genannten Schlafstörungen am stärksten psychologisch beeinflusst sind die Insomnien ohne organische Ursache. Verschiedene Aspekte tragen zu ihrer Entstehung bei.

 

Zum einen ist davon auszugehen, dass viele Menschen mit Schlafstörungen grundsätzlich stärker physiologisch aktiviert zu sein scheinen. Das bedeutet, dass sie generell eine etwas höhere Herzfrequenz haben, einen geringeren elektrischen Hautwiderstand, einen erhöhten Muskeltonus, eine erhöhte Körpertemperatur sowie eine erhöhte Cortisolausschüttung (Stresshormon). 

Auch subjektiv empfinden Betroffene oftmals ein höheres körperliches Aktivierungsniveau als Vergleichspersonen.

Beachtet werden muss hier allerdings, dass noch nicht klar ist, ob diese Überaktivierung Ursache oder Folge der Schlafstörung ist! Grundsätzlich ist die Bedeutung der erhöhten Aktivierung jedoch bedeutsam, da sich Entspannungsverfahren als ein Baustein der Behandlung von Schlafstörungen als wirksam erwiesen haben.

 

Ein weiterer Faktor, der zur Entstehung einer Schlafstörung beitragen kann, ist die klassische Konditionierung. Bei diesem Lernprozess werden Reize in ihrer unbewussten oder reflexhaften Wirkung miteinander verknüpft, wenn sie gemeinsam auftreten. In der Folge kann ein Reiz, der ursprünglich keine automatische Reaktion ausgelöst hat, auch bei alleinigem Auftreten die Reaktion auslösen. Ein bekanntes Beispiel für die Mechanismen der klassischen Konditionierung ist der Pawlowsche Hund, dessen Speichelfluss angesichts von Nahrung an einen Klingelton gekoppelt wurde, der später auch ohne anbieten von Nahrung die Speichelreaktion auslösen konnte.

Es ist anzunehmen, dass Schlafzimmer und Bett zu normalerweise Auslösereize für Müdigkeit und Schlaf sind, da sie eng verbunden sind mit diesen Erlebniszuständen. Bei häufiger anderweitiger Aktivität (Essen, TV, Lesen, Grübeln etc.) kann die Schlafumgebung hingegen zum Hinweisreiz für Wachheit und Aktivität werden. Im Verlauf wird das Bett zudem zu einem unangenehmen Reiz, da es mit Wachliegen assoziiert ist. Hierzu passen Befunde, dass Menschen mit Schlafstörungen in fremder Umgebung zunächst meist sehr viel besser schlafen. Auch im Schlaflabor gibt es diesen paradoxen „first night effect“: Vergleichspersonen schlafen in der ersten Nacht im Schlaflabor bzw. allgemein ungewohnter Umgebung schlechter als gewöhnlich, bei Menschen mit Schlafstörungen ist es umgekehrt. 

 

Ein nächster Faktor in der Entwicklung von Schlafstörungen sind ungünstige Verhaltensweisen aufgrund mangelnden oder nicht ganz zutreffenden Wissens über Schlaf. Fachlich wird hier von mangelnder Schlafhygiene gesprochen. 

Der Schlafhygiene dienlich ist zum Beispiel: ab mittags kein Koffein zu sich zu nehmen, Alkohol zu meiden und keinesfalls als Schlafmittel einzusetzen (beschleunigt zwar das Einschlafen, unterdrückt aber Tief- und REM-Schlaf), keine Appetitzügler einzunehmen (wirken ähnlich wie Amphetamine aufputschend), abends keine schweren Mahlzeiten zu sich zu nehmen, regelmäßig körperlich aktiv zu sein (in den Abendstunden jedoch besser nicht übermäßig) und geistige wie auch körperliche Anstrengung in den 

Abendstunden Schritt für Schritt zu reduzieren, also nicht bis kurz vor dem Zubettgehen auf Hochtouren zu fahren. Darüber hinaus sind persönliche Einschlafrituale hilfreich sowie angenehme Temperatur, Licht, Ruhe und die generelle Atmosphäre im Schlafzimmer. Im Bett sollte darüber hinaus außer Schlaf und Sexualität keine Aktivität stattfinden (fernsehen, lesen etc.). Zur Reduktion des "Schlafdrucks" sollten Uhren aus dem Gesichtsfeld gedreht werden. 

 

Individuelle Aspekte, die die Entstehung einer Schlafstörung begünstigen können, sind bestimmte Arten und Weisen mit Problemen, Konflikten und Stress umzugehen und können sehr gut im Rahmen einer Psychotherapie bearbeitet werden.

 

Die stärksten aufrechterhaltenden Faktoren, nämlich als unkontrollierbar erlebtes Grübeln, nicht abschalten können, nachdenken über den Schlaf, die Schlafstörung und ihre Konsequenzen, können ebenfalls erfolgreich mit Hilfe einer Psychotherapie angegangen werden. 

 

 

Therapiemöglichkeiten

 

Eine medikamentöse Therapie der Schlafstörungen ist in aller Regel eher nicht angezeigt, sondern häufig kontraindiziert, da Medikamente die Schlafarchitektur ungünstig verändern können und damit den Schlaf und seine regenerative Wirkung langfristig eher verschlechtern. Schlafmittel können kurzfristig bei massiver Belastung hilfreich sein, langfristig sind jedoch Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie das Mittel der Wahl.


Ein wichtiger Schritt in der Therapie von Schlafstörungen ist es, gemeinsam Basiswissen zur oben genannten Schlafhygiene vertiefend zu erarbeiten. Anschließend werden ungünstige Annahmen und Gedanken bezüglich des Schlafes überprüft und bearbeitet. Sepzifische strukturierte und schrittweise Veränderungen der Schlafgewohnheiten helfen Betroffenen dabei, wieder zu einem gesünderen Schlafmuster zurück zu finden. Unterstützend werden Entspannungsmethoden vermittelt. 

 

Eine psychotherapeutische Behandlung ist auch bei den anderen oben genannten Schlafproblemen sehr hilfreich, wobei die Vorgehensweisen an dieser Stelle nicht im Einzelnen darstellbar sind. Die Herangehensweisen sind vielfältig, zum Beispiel kann in der Behandlung von Albträumen die Anwendung einzelner, entsprechend modifizierter Elemente der Traumatherapie hilfreich sein.  

 

 

Literaturangaben zu den Informationen / Buchempfehlungen zum Thema

 

Müller, T.H. & Paterok, B. (2010). Schlaf erfolgreich trainieren. Hogrefe: Göttingen.

ISBN: 3801722929. 

 

Zulley, J. (2010). Mein Buch vom guten Schlaf. Goldmann: München. 

ISBN: 3442171563.

 

Zulley, J. (2008). So schlafen Sie gut! Sandmann Verlag: München.

ISBN: 389883218X.

 

 

Informationen und Netzwerke online

 

Deutsche Gesellschaft für Schlafmedizin DGSM