Lieben Sie sich selbst wie Ihren Nächsten?

Selbstakzeptanz

Die meisten Menschen sind viel damit beschäftigt, anderen etwas Gutes zu tun und für sie zu sorgen. Als Mutter oder Vater für das eigene Kind, als Dienstleister für das Wohl der Kunden, als Berater und Unterstützer für die Freunde. Dabei stets bemüht, anderen Menschen mit Wertschätzung und Respekt entgegen zu treten und dem Gegenüber keinen Schaden zuzufügen.

 

Wenn Sie an eine Person denken, die Ihnen sehr nahesteht, und in ein paar Sätzen sagen sollten, warum Sie sie mögen und wofür Sie sie schätzen, kann das vielleicht so aussehen:

Sie ist mir sehr wichtig. Sie ist eine ganz wunderbare Frau. Sie ist warmherzig, offen, zuverlässig und lustig. Ich verbringe unheimlich gerne Zeit mit ihr. Wir kennen uns so gut, dass ich immer schnell spüre, in welcher Stimmung sie ist und was sie dann gerade braucht. Wenn es ihr mal nicht gut geht, fühle ich richtig mit ihr und muss sie dann erstmal ganz fest in den Arm nehmen. Ich bin immer für sie da, sie kann sich ganz auf mich verlassen, so gern habe ich sie.

 

Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und überlegen einmal, ob Sie das gleiche Maß an Wertschätzung, Fürsorge und Entgegenkommen auch für den Menschen aufbringen, der Ihnen am allernächsten steht und immer stehen wird: für sich selbst? 

 

Lesen Sie den folgenden Absatz und achten dabei ganz bewusst auf Ihre Gefühle:

 

Ich bin mir sehr wichtig. Ich bin eine ganz wunderbare Frau. Ich bin warmherzig, offen, zuverlässig und lustig. Ich verbringe unheimlich gerne Zeit mit mir. Ich kenne mich so gut, dass ich immer schnell spüre, in welcher Stimmung ich bin und was ich dann gerade brauche. Wenn es mir mal nicht gut geht, fühle ich richtig mit mir und muss mich dann erstmal ganz fest in den Arm nehmen. Ich bin immer für mich da, ich kann mich ganz auf mich verlassen, so gern habe ich mich.

 

Würden Sie das in Bezug auf sich selbst unterschreiben? Falls nein, was würde Sie daran hindern? Käme es ihnen selbstverliebt und peinlich vor? Oder sagt ein Teil von Ihnen einfach, dass gar nicht zutrifft, was da steht? Falls sie es ohne zu zögern unterschreiben würden: großartig! Dann schätzen Sie sich selbst genauso wert wie die Menschen, die Sie lieben, und sind in der Lage, sich genauso gut zu versorgen wie diese.

Sich selbst, seine Bedürfnisse und Gefühle, seine Eigenheiten und Grenzen wertzuschätzen ist die Grundlage von Selbstfürsorge, die wiederum ein Grundpfeiler psychischer und körperlicher Gesundheit ist. 

 

Selbstbewusstein

Viele Menschen machen wie selbstverständlich einen radikalen Unterschied zwischen sich selbst und anderen Menschen, messen mit zweierlei Maß und behandeln sich und andere entsprechend unterschiedlich - ohne dies je zu hinterfragen.

Das haben Sie vielleicht auch in dem kleinen Gedankenexperiment oben festgestellt. Vielleicht haben Sie Lust auf ein weiteres?

 

Stellen Sie sich vor, Sie bekommen nach Ihrer beider Feierabend Besuch von Ihrer allerbesten Freundin.

An der Tür begrüßen Sie sie mit einem beiläufigen Hallo. Dann schicken Sie sie erstmal einkaufen, muss ja schließlich gemacht werden. Als sie zurückkommt, schmieren Sie aus den Einkäufen ein paar Brote. Den Tisch decken Sie nicht weiter, der Aufwand lohnt nicht, Hauptsache man wird satt. Beim Essen kommen Sie beide ins Gespräch. Die Freundin erzählt von einem anstrengenden Tag auf der Arbeit. Sie muss gerade zwei kranke Kollegen vertreten, fühlt sich überfordert und von Ihrem Chef nicht unterstützt. Sie sagen ihr schnell, dass das so schlimm ja nun wirklich nicht sei. Jeder müsse eben seine Arbeit machen und manchmal ist es dann eben stressig, aber das muss halt jeder wegstecken können. Anderen geht es nicht besser. Sie werfen ihr vor, lieber mal an ihrer Belastungsfähigkeit zu arbeiten statt zu jammern. Ihre Freundin wirkt niedergeschlagen. Sie sind genervt und sagen ihr, dass sie keine Lust auf einen Abend mit einem Trauerkloß haben, sie solle sich mal zusammenreißen. Wenn es jetzt aber ohnehin nicht lustig werden würde, könne man auch was Sinnvolles tun – die Wohnung hätte ein gründliches Staubwischen mal wieder nötig. Sie drücken Ihrer Freundin ein Staubtuch in die Hand.

 

Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie mit Ihrer besten Freundin so umgehen würden? Schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, ganz ehrlich, auf einer Skala von 1 (vollkommen unwahrscheinlich) bis 100 (absolut wahrscheinlich).

 

Und nun, stellen Sie sich vor, Sie kommen nach Feierabend alleine nach hause.

Ohne innezuhalten, greifen Sie sich zwei Tüten. Erstmal einkaufen, muss ja schließlich gemacht werden. Als sie zurückkommen, schmieren Sie aus den Einkäufen ein paar Brote. Den Tisch decken Sie nicht weiter, der Aufwand lohnt nicht, Hauptsache man wird satt. Beim Essen kommen Ihnen Gedanken an den anstrengenden Tag auf der Arbeit. Sie müssen gerade zwei kranke Kollegen vertreten, fühlen sich überfordert und von Ihrem Chef nicht unterstützt. Sie sagen sich schnell, dass das so schlimm ja nun wirklich nicht sei. Jeder müsse eben seine Arbeit machen und manchmal ist es dann eben stressig, aber das muss halt jeder wegstecken können. Anderen geht es nicht besser. Sie werfen sich vor, lieber mal an Ihrer Belastungsfähigkeit zu arbeiten statt zu jammern. Plötzlich fühlen Sie sich niedergeschlagen. Gleich darauf sind Sie genervt, weil Sie so ein Trauerkloß sind. Sie sagen sich, reiß Dich mal zusammen! Da der Abend jetzt aber ohnehin nicht mehr lustig wird, kann man auch was Sinnvolles tun, denken Sie sich – die Wohnung hätte ein gründliches Staubwischen mal wieder nötig. Sie schnappen sich ein Staubtuch.

 

Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie mit sich selbst so umgehen würden? Schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, ganz ehrlich, auf einer Skala von 1 (vollkommen unwahrscheinlich) bis 100 (absolut wahrscheinlich).

Falls Sie in beiden Szenarien zu abweichenden Einschätzungen gekommen sind, erlauben Sie sich möglicherweise (noch) nicht, gut für sich selbst zu sorgen. 

 

Selbstbewusstein

Angefangen bei ausreichend und regelmäßigem Schlaf, (gutem und genussvollem) Essen und Trinken, über die Sorge für ausreichend Erholung und Entspannung, kleine Genüsse im Alltag und längere Auszeiten, bis hin zu Verständnis und Trost für sich selbst, wenn Sie sich traurig, ängstlich oder schwach fühlen.

Auch das Einhalten eigener Belastungsgrenzen, das überzeugte Nein sagen bei zu vielen Anforderungen von außen und das Sorgen für Spaß, Freude und Abwechslung in Ihrem Leben gehören zur Selbstfürsorge. Genau wie die Suche nach Nähe und Unterstützung durch andere Menschen, das Annehmen von Hilfe und das Äußern von Gefühlen.

Das Nicht-Erledigen vermeintlich wichtiger Dinge, wenn Sie sich gerade nicht wohl fühlen, das Sich-Schonen, wenn Sie erschöpft oder krank sind.

Dass Sie sich den Alltag schön machen, am gedeckten Tisch essen und ein Duschgel benutzen, dessen Geruch Sie mögen. Dass Sie sich Raum nehmen, um zum Sport, zu einem Sprachkurs, zu einer Fortbildung oder in ein Museum zu gehen (oder was immer Sie gerne tun).

Dass Sie Ihre Freizeit genauso wichtig nehmen wie Ihre Arbeit, sich auch mögen und wertschätzen, wenn Sie einmal gar nichts tun.

Dass Sie sich behandeln und mit sich umgehen wie mit einem Menschen, den Sie aufrichtig gern haben, dem Sie nahestehen und zu dem Sie eine gute Beziehung pflegen und aufrecht erhalten möchten. 

 

 

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Kommentare: 6
  • #1

    Peter Reitz (Donnerstag, 30 Januar 2014 21:10)

    Ein ganz klasse Artikel, der sehr zum Nachdenken anregt!

    Vielen Dank, herzliche Grüße,

    peter reitz

  • #2

    psyberlin (Freitag, 31 Januar 2014 08:06)

    Danke für Ihr Feedback, es freut mich sehr, dass der Artikel etwas in Ihnen angestoßen hat!

  • #3

    jennifer gawlitta (Dienstag, 17 Februar 2015 09:44)

    Hallo , bitte um Hilfe hab angeblich schitzoprenie das komische an der Sache ist das es egal ist ob ich meine Medikamente nehme oder nicht es ändert sich nichts an den Ereignissen die Medikamente beeinflussen mein algemeinzustand im negativen sehr. Ich Weis wer ich bin u was ich will finde nur leider keine offizielle anlaufstelle da alles so geheim gehalten wird. Ich leide nicht an realitätsverlust da bin ich sicher werde observiert politisch verfolgt usw haben sie eine idee??? Ich möchte darum bitten das diese Information vorerst nicht an 3 gelangt hab im Moment echt keine Zeit mich wieder Ewigkeiten auf beschluss einschliesen zulassen danke . Bitte um antwort mfg. J. Gawlitta

  • #4

    psyberlin (Dienstag, 17 Februar 2015 10:25)

    Sehr geehrte Frau Gawlitta,

    vielen Dank für Ihre Nachricht. Leider können hier im Blog und aus der Ferne keine individuellen pharmako- oder psychotherapeutischen Fragen beantwortet werden.
    Da Ihr Eindruck, dass die Medikation nicht wie erwünscht wirkt, von großer Bedeutung ist, empfehle ich Ihnen, diesen Punkt mit Ihrem behandelnden Arzt zu besprechen. Wenn Sie eine unabhängige Meinung wünschen, kann vielleicht auch der Sozialpsychiatrische Dienst Ihres Wohnorts weiterhelfen. Er ist in der Regel an das städtische Gesundheitsamt angegliedert, darüber müssten Sie die Kontaktdaten erfahren.

    Ich wünsche Ihnen alles Gute!

  • #5

    Sascha Laufmöller (Donnerstag, 19 März 2015 22:56)

    Hallo,
    also ich denke, dass man weniger Achtung vor sich selbst hat, als vor anderen. Was würden andere von mir denken, wenn ich sie so behandle? Was ich so ohnehin nie machen würde. Motto: "Mit mir kann ich´s ja machen!" Und das mache ich auch oft so. Vielleicht jetzt etwas weniger - danke!

  • #6

    psyberlin (Freitag, 20 März 2015 08:00)

    Liebe Frau Laufmöller,

    es würde mich sehr freuen, wenn der Artikel Sie in Zukunft etwas freundlicher mit sich umgehen lassen würde. Dafür wünsche ich Ihnen alles Gute und viel Freude an sich selbst!

    Herzliche Grüße,

    Julia Arnhold