Definition und Beschreibung der Symptomatik
Bei der Panikstörung sind heftige, plötzlich und wiederholt auftretende Panikattacken das zentrale Merkmal. Der Panikanfall tritt wie aus heiterem Himmel auf, ohne dass für den Betroffenen ein Auslöser erkennbar ist.
Während einer Panikattacke treten innerhalb weniger Minuten heftige körperliche Reaktionen bzw. Missempfindungen auf, z.B. Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Kurzatmigkeit oder Atemnot, Erstickungsgefühle, Brustschmerzen oder Übelkeit. Die Umgebung scheint zu verschwimmen oder wirkt unwirklich.
Diese Symptome können beim Betroffenen den Eindruck erwecken, kurz vor einem Herzanfall zu stehen oder geistig nicht in Ordnung zu sein. Daher tritt nicht selten während einer Panikattacke der Gedanke auf, man könne sterben, völlig die Kontrolle verlieren oder verrückt werden.
Viele Betroffene berichten von während einer Panikattacke auftretender Todesangst. In ihrer Not wissen Menschen, die unter Panikanfällen leiden, sich oftmals nicht anders zu helfen, als den Ort, an dem sie sich gerade befinden, fluchtartig zu verlassen oder den Notarzt zu verständigen.
Da die Panikanfälle wiederholt auftreten und schon der Gedanke an mögliches Wiederauftreten große Angst verursacht, fällt es vielen Betroffenen schwer, Aussagen von Ärzten unmittelbar Glauben zu schenken, wenn diese ihnen versichern, dass sie körperlich gesund sind.
Die Abklärung möglicher medizinischer Ursachen von Panikattacken steht unerlässlich am Anfang jeder Behandlung. Erst wenn körperliche Ursachen ausgeschlossen wurden, kann die Überwindung der Panikstörung mit Hilfe von Psychotherapie angegangen werden.
Entstehungshintergründe
Die Entwicklung einer Panikstörung kann begünstigt werden durch vorübergehende oder länger andauernde Zustände körperlicher Schwäche oder Anspannung ohne spezifischen Krankheitswert, z.B. Übermüdung, Stress, erhöhter Nikotin- oder Kaffeekonsum, körperliche Überanstrengung etc.
Diese Zustände können dazu führen, dass die gewohnten körperlichen Reaktionen kurzzeitig verändert sind, z.B. der Herzschlag beschleunigt ist. Unter bestimmten Umständen kann sich eine solche Veränderung zu einer Panikattacke aufschaukeln (man spricht hier auch vom "Teufelskreis der Angst"). Psychologische und physiologische Prozesse spielen hierbei zusammen. Diese Umstände können individuell verschieden sein und müssen daher auch individuell hergeleitet werden.
Grundsätzlich spielen jedoch häufig bestimmte Interpretationen und Bewertungen körperlicher Missempfindungen eine wichtige Rolle. So reagiert der Körper ganz unterschiedlich, wenn man einen beschleunigten Herzschlag auf momentane körperliche Anstrengung zurückführt, oder aber auf einen möglicherweise bevorstehenden Herzinfarkt.
Im ersten Fall bleibt man entspannt, im zweiten Fall setzt eine körperliche Angstreaktion ein – die wiederum zu einer weiteren Beschleunigung des Herzschlags sowie zusätzlichen körperlichen Veränderungen führt. Diese sind zwar harmlos, für viele Menschen jedoch beängstigend.
Wenn der Betroffene sich nach einem einzelnen Panikanfall sagt, diese sei aufgrund von Überlastung entstanden und keine Gefahr für seine Gesundheit, tritt vermutlich keine zweite Attacke auf.
Wenn der Betroffene die körperlichen Missempfindungen und veränderten Reaktionen jedoch als bedrohlich wahrnimmt, z.B. als Zeichen körperlicher Erkrankung, kann es in der Folge dazu kommen, dass er seine Körperfunktionen verstärkt beobachtet, geradezu überwacht.
Es ist ein bekanntes Phänomen, dass die Hinwendung der Aufmerksamkeit auf körperliche Prozesse diese beeinflusst. Ist die Aufmerksamkeitszuwendung zudem mit Befürchtungen und Angst verbunden, ist eine Verstärkung der normalen Abläufe wahrscheinlich – erwiesenermaßen führt die besorgte Beobachtung des eigenen Herzschlags zu einem Anstieg der Herzrate.
Wird diese Abweichung von den normalen Abläufen wiederum als Besorgnis erregendes Anzeichen drohender Krankheit wahrgenommen, ist das Wiederauftreten einer Panikattacke wahrscheinlicher.
In vielen Fällen führt das wiederholte Auftreten von Panikattacken dazu, dass Betroffene so große Angst vor dem nächsten Panikanfall haben (viele Angsterfahrene sprechen in diesem Zusammenhang von der "Angst vor der Angst"), dass sie verschiedene Maßnahmen ergreifen, um ihn zu verhindern.
Zum Beispiel vermeiden manche Menschen, die unter Panikattacken leiden, körperliche Anstrengung wie Treppensteigen oder Sport. Oder sie suchen bestimmte Orte nicht mehr auf, weil es dort schon einmal zur Panikattacke gekommen ist. Manchmal kommt es auch zu einem intensiven Überwachen körperlicher Funktionen, z.B. durch mehrmals tägliches Blutdruckmessen.
Diese Verhaltensweisen, mit denen Betroffene versuchen sich vor Panikattacken zu schützen, führen langfristig jedoch zu einer Aufrechterhaltung der Angst. Durch Einschränkung der körperlichen Aktivität zum Beispiel wird das System geschwächt, sodass es schneller mit Abweichungen, etwa erhöhter Herzrate, reagiert, als wenn es "trainiert"wird. Somit kommt es eher zu den gefürchteten körperlichen Missempfindungen und damit möglicherweise zum oben beschriebenen Aufschauklungsprozess.
Therapiemöglichkeiten
Die Behandlung der Panikstörung ist nach Ausschluss medizinischer Ursachen mit spezifischen Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie sehr erfolgreich möglich.
Unter bestimmten Umständen kann eine begleitende pharmakologische Behandlung mit Antidepressiva hilfreich und ratsam sein, ist oft jedoch nicht nötig.
Am Anfang steht eine sehr ausführliche individuelle Herleitung und Erklärung der starken körperlichen Reaktionen und damit einhergehenden Angstgefühle.
Im weiteren Verlauf besteht eine Säule der Therapie darin, den eigenen Körper mit einen Reaktionsweisen und Mechanismen (wieder) kennenzulernen, zu lernen, wie er sich unter welchen Umständen natürlicherweise verhält und wie Körperreaktionen realistischerweise hinsichtlich ihres Bedrohungsgehalts zu deuten sind.
Eine weitere Säule ist der Aufbau von Verhaltensweisen zur Angstbewältigung. In diesem Zusammenhang wird der Betroffene darin unterstützt, ein Entspannungsverfahren und seine Anwendung zu erlernen, sich konstruktiv mit der Angst auseinanderzusetzen und den angstvollen Gedanken hilfreichere entgegen zu setzen.
Da Panikattacken häufig mit einer starken Einschränkung des normalen Lebensvollzugs und der Lebensqualität verbunden sind, gehen sie oft mit Depression einher. Diese wird therapeutisch ebenso aufgegriffen wie die Angst an sich.
Literaturangaben zu den Informationen / Buchempfehlungen zum Thema
Schneider, S. & Margraf, J. (2017). Agoraphobie und Panikstörung. Hogrefe.
Wittchen, H.-U., Bullinger-Naber, M. & Dorfmüller, M. (1995). Hexal-Ratgeber Angst: Angsterkrankungen, Behandlungsmöglichkeiten. Karger: Berlin.
ISBN: 3805561725.
Schmidt-Traub, S. (2008). Angst bewältigen: Selbsthilfe bei Panik und Agoraphobie. Berlin: Springer.
ISBN: 3540790306.
Heinrichs, N. (2007). Ratgeber Panikstörung und Agoraphobie: Informationen für Betroffene und Angehörige. Göttingen: Hogrefe.
ISBN: 3801719863.
Wilms, B. & Wilms, H.U. (2008). Meine Angst – eine Krankheit? BALANCE buch + medien verlag: Bonn.
ISBN: 3867390320.
Informationen und Netzwerke online
Ratgeber Angsterkrankungen vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) und der Psychologischen Hochschule Berlin
Anxiety Disorders Association of America ADAA
(leider nur englischsprachig)